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SCHÜTZEN UND BEGLEITEN
8 FALLBEISPIELE im Mitarbeitendenkreis angesprochen werden. Ebenso sollten
die Eltern von Emma nach der Freizeit informiert werden,
Im Folgenden werden Fallbeispiele beschrieben, die im All- dass ihr Kind Heimweh hatte und sie von einer Mitarbeiten-
tag der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorkommen. den getröstet wurde.
Sie sollen zeigen, dass es sehr einfach sein kann, Grenzen zu
überschreiten, ohne dass man als Mitarbeitender eine böse FALL 3
Absicht verfolgt.
Bei der wöchentlichen Jungscharstunde springt die 11jähri-
Entscheidend in unsere Arbeit mit Kindern und Jugendli- ge Anna dem 35jährigen Mitarbeitenden Mark im Stuhlkreis
chen und entscheidend für die Sicherheit der Kinder und Ju- jedesmal auf den Schoß und fängt an, sich anzuschmiegen.
gendlichen ist nicht unsere Motivation, sondern entscheidend Mark ist dies unangenehm, allerdings traut er sich nicht, Anna
ist das, was bei den Kindern und Jugendlichen ankommt. abzuweisen, weil er dann Angst hat, sie würde sich von der
Gruppe zurückziehen.
Oft ist etwas wirklich gut gemeint, aber eben nicht wirk-
lich durchdacht und führt dazu, dass Kinder und Jugendliche Beurteilung:
Grenzverletzungen erleben, die keiner wirklich beabsichtigt hat. Es gibt immer wieder Kinder, die die Nähe zu Mitarbeiten-
den suchen und ein gestörtes Nahe-Distanz-Empfinden ha-
Die anschließenden Beurteilungen sollen die Problematik ben. In diesem Fall muss Mark Anna seine Grenzen klar ma-
der Situation beschreiben und mögliche Handlungsschritte chen. Er möchte nicht, dass Anna ihm auf den Schoß springt,
aufzeigen. also muss er ihr das bestimmt aber freundlich sagen. Nur so
hat Anna die Möglichkeit, zu lernen, dass es gut ist, nicht alles
FALL 1 mit sich machen zu lassen und die eigenen Grenzen wahrzu-
nehmen und auch zu äußern. Mark kann so zu einem Vorbild
Im Jugendkreis begrüßen sich die Teilnehmenden mit einer für Anna werden.
Umarmung. Dies an sich ist nicht das Problem. Allerdings Die Angst von Mark, dass Anna nicht mehr in die Gruppe
fällt dir auf, dass ein Junge die Mädchen besonders lange und kommt, ist unbegründet.
intensiv in den Arm nimmt. Dazu kommt, dass du den Ein- Nicht selten wollen Kinder in diesen Situationen die Er-
druck hast, dass nicht alle Mädchen dieses Begrüßungsritual wachsenen testen, ob sie alles mit sich machen lassen, oder ob
besonders angenehm empfinden. man sich auf sie verlassen kann.
Beurteilung: FALL 4
Dass Jugendliche sich zur Begrüßung in den Arm nehmen,
ist an sich nicht das Problem. Hier geht es um die Dauer der Bei einem Geländespiel werden alle Kinder von Mitarbeiten-
Umarmung und das Gefühl, dass hier ein Junge sein Bedürf- den auf Schmuggelware hin durchsucht.
nis nach Nähe und Zärtlichkeit versucht durch besonders in-
tensive Begrüßungsrituale zu befriedigen. Beurteilung:
Handlungsschritte: Du konfrontierst den Jugendlichen mit Leibesvisitationen sind absolut tabu. Egal, ob das spielerisch
deinen Beobachtungen und sprichst mit ihm über Nähe und geschieht oder vielleicht bei einem ernsthafteren Fall (wenn
Distanz. Mach ihm unmissverständlich aber freundlich klar, man z.B. auf der Suche nach Diebesgut ist). In beiden Fällen
dass du dieses Verhalten nicht dulden wirst. ist es absolut verboten. Die Gefahr, dass das Schamgefühl ei-
Wenn der Junge sein Verhalten nicht ändert, dann kannst nes Kindes oder Jugendlichen verletzt wird, ist groß. Zusätz-
du in einer Situation, in der du erneut eine zu heftige Umar- lich setzt sich der Mitarbeitende der Gefahr aus, dass ihm un-
mung beobachtest, das Mädchen fragen, ob es das OK findet terstellt wird, Kinder oder Jugendlichen „anzufassen“.
und ihr die Möglichkeit geben, Grenzen aufzuzeigen. Wichtig: Geländespiele sind so zu organisieren, dass
Schamgrenzen eingehalten werden und sich die Mitarbeiten-
FALL 2 den nicht dem Verdacht aussetzen, Kinder oder Jugendliche
zu missbrauchen.
Die 9jährige Emma hat auf ihrer ersten Jungscharfreizeit
Heimweh. Ein Mitarbeitender nimmt sie auf den Schoß und FALL 5
versucht sie, zu trösten.
Der 19jährige Mitarbeitende Nico massiert auf einer Jugend-
Beurteilung: freizeit die 16jährige Teilnehmerin Tanja den Rücken.
Dass ein Kind Heimweh hat, kann auf einer Freizeit vor-
kommen. Allerdings geht es nicht, dass ein Mann eine Teil- Beurteilung:
nehmerin auf den Schoß nimmt, um sie zu trösten. Wichtig: So oft dies auf Freizeiten geschieht und wie harmlos es auf
Die Aufgabe, dem Mädchen Trost zu spenden, hat eine Mit- den ersten Blick auch wirkt, dieses Verhalten von Nico geht
arbeitende. Eine weitere Problematik ist das Auf-den-Schoß- gar nicht. Es kommt auch nicht darauf an, wer in dieser Situa-
Nehmen. Zum einen darf die Zuneigung und Zärtlichkeit tion wie viel an hat. Nico ist Mitarbeitender und Tanja ist eine
nicht von der Mitarbeitenden ausgehen, sondern wenn, dann Schutzbefohlene. In diesem Fall spielen auch Altersgrenzen
nur von dem Kind selbst. Zum anderen ist der Schoß ein zu keine Rolle.
intimer Ort, um zu trösten. Es ist möglich, Emma zu bitten, Begründung: Nico kann nicht beurteilen, was er bei Tanja
sich neben sich zu setzen. Wichtig: Das Geschehen muss an
einem transparenten und einsehbaren Ort geschehen, also
nicht im Zimmer der Mitarbieterin. Und: Die Situation muss
20 Initiative zum Schutz vor Gewalt und Missbrauch
