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SCHÜTZEN UND BEGLEITEN

5.3.2 EMPFEHLUNGEN DES RUNDEN                                        sowie Gefährdungen anderer Kinder und Jugendlicher mit
TISCHES „SEXUELLER KINDESMISS-                                       hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können.
BRAUCH“                                                              In einer Handreichung des Bundesministeriums der
                                                                     Justiz werden die „Leitlinien zur Einschaltung der
Der Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ hat eine all-           Strafverfolgungsbehörden“ detailliert und anhand von
gemeine strafbewehrte Anzeigepflicht für Straftaten des se-          Fallbeispielen erläutert.
xuellen Missbrauchs diskutiert. Strafbewehrt hätte in diesem
Zusammenhang bedeutet, dass alle, die von möglichen Fällen        5.4 WAS KANN MAN TUN, WENN MAN
sexuellen Missbrauchs erfahren, zur Erstattung einer Anzeige      KINDERPORNOGRAFISCHE DARSTELLUN-
verpflichtet sind, um sich nicht selbst strafbar zu machen. Der   GEN FINDET?
Runde Tisch hat sich aber gegen eine solche Anzeigepflicht
ausgesprochen. Er folgte damit der Argumentation von Fach-        Der Begriff der kinder- und jugendpornografischen Schriften
leuten, die diese ablehnten, weil es den betroffenen Mädchen      umfasst alle pornografischen Schriften, Datenspeicher, Ton-
und Jungen weiterhin möglich sein muss, sich jemandem             und Bildträger sowie Abbildungen, in denen sexuelle Hand-
anzuvertrauen, ohne dass zwangsläufig Anzeige erstattet und       lungen von, an und vor Kindern und Jugendlichen gezeigt
ein Strafverfahren eingeleitet wird.                              oder geschildert werden. Darunter fallen auch sexuelle Hand-
                                                                  lungen von Mädchen und Jungen an sich selbst und/oder an
  Der Runde Tisch erarbeitete stattdessen „Leitlinien zur Ein-    anderen Kindern und Jugendlichen, von Erwachsenen an Kin-
schaltung der Strafverfolgungsbehörden“.                          dern und Jugendlichen und von Kindern und Jugendlichen an
                                                                  Erwachsenen. Seit 1994 stehen nicht nur die Herstellung und
  Institutionen und Vereinigungen können sich selbst ver-         der Handel, sondern auch der Besitz kinder- bzw. jugendpor-
pflichten, diese Leitlinien umzusetzen. Danach sollen Infor-      nografischer Produkte unter Strafe.
mationen über Fälle möglichen sexuellen Missbrauchs in der
Institution schnellstmöglich an die Strafverfolgungsbehörden        Wenn Nutzerinnen bzw. Nutzer des Internets auf kinderpor-
weitergeleitet werden, abgesehen von eng begrenzten Aus-          nografische Inhalte stoßen, ist es wichtig, dass Hinweise hier-
nahmefällen.                                                      zu der Hotline von jugendschutz.net (hotline@jugendschutz.
                                                                  net), dem Verband der deutschen Internetwirtschaft eco oder
  Ziel der Leitlinien ist es zu verhindern, dass Fälle von sexu-  der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimediadiensteanbieter
ellem Missbrauch an Kindern oder Jugendlichen von der Ins-        FSM (www.internet-beschwerdestelle.de) gemeldet werden
titution vertuscht oder aus Nachlässigkeit nicht weiterverfolgt   sowie die Internetadresse der Polizeidienststelle vor Ort oder
werden.                                                           dem Landeskriminalamt des Bundeslandes mitgeteilt und An-
                                                                  zeige erstattet wird.
5.3.3 FOLGENDE SITUATIONEN RECHT-
FERTIGEN ES AUSNAHMSWEISE                                         6 VERHALTENSKODEX
(VORÜBERGEHEND), DIE STRAFVERFOL-
GUNGSBEHÖRDEN NICHT ÜBER DIE                                      6.1 SINN DES VERHALTENSKODEX UND
GESCHEHNISSE ZU INFORMIEREN:                                      UMGANG

   Gefährdung der körperlichen oder psychischen                   Ein Verhaltenskodex führt dazu, dass das Thema sexuelle Ge-
   Gesundheit des betroffenen Mädchens bzw. Jungen                walt kein Tabu-Thema in den Gemeinden bleibt. Durch die
   (insbesondere Suizidgefahr oder Gefahr einer                   Verpflichtung aller Mitarbeitenden im Bereich der Arbeit mit
   Retraumatisierung). Um eine solche Gefährdung                  Kindern und Jugendlichen, den Verhaltenskodex zu bejahen
   festzustellen, ist zwingend eine unabhängige, qualifizierte    und zu unterschreiben, wird sich mit dem Thema sexueller
   Fachkraft einzubeziehen. Sobald die Gefährdung nicht           Gewalt auseinandergesetzt.
   mehr besteht, sollten die Strafverfolgungsbehörden
   eingeschaltet werden.                                            Damit ein solcher Kodex nicht nur ein Stück Papier ist,
   Widerspruch des betroffenen Mädchens oder des Jungen,          sondern im Alltag in den Gemeinden ankommt, müssen die
   sofern die Tat von geringer Schwere ist (beispielsweise        Inhalte regelmäßig in den unterschiedlichen Teams von Mit-
   eine kurze Berührung der bekleideten Brust oder andere         arbeitenden durchgesprochen werden.
   übergriffige Berührungen, beispielsweise im Gesicht, am
   Rücken oder am Bauch eines Mädchens oder Jungen) und             Ebenso ist es hilfreich, wenn die Teilnehmenden selbst wis-
   es der Einrichtung möglich ist, durch organisatorische         sen, wozu sich die Mitarbeitenden verpflichtet haben.
   Maßnahmen ausreichend für die Sicherheit des
   betroffenen Mädchens bzw. Jungen und anderer Kinder
   bzw. Jugendlichen zu sorgen.
   bei übergriffigen Jugendlichen, wenn es sich lediglich um
   eine geringfügige Übertretung handelt (beispielsweise ein
   einvernehmlicher Zungenkuss eines Jugendlichen über 14
   Jahren mit einer Dreizehnjährigen) und Wiederholungen

14 Initiative zum Schutz vor Gewalt und Missbrauch
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